Rüsselkäfer - Bedeutung und Bekämpfung (11/04)

Seit mehr als drei Jahren haben sich verschiedene Rüsselkäferarten in den Obstanbaugebieten stark ausgebreitet und zu spürbaren Ertragsausfällen und Qualitätseinbußen geführt. Beim Kernobst handelt es sich vorwiegend um den Apfelblütenstecher und den Rotbraunen Fruchtstecher. Im Steinobst verursachen vor allem der Kirschsteinstecher und der Purpurne Fruchtstecher starke Schädigungen an den Früchten.

Apfelblütenstecher
Anthonomus pomorum

Die Käfer überwintern unter der Rinde oder im Laub. Im zeitigen Frühjahr – bei warmer Witterung – kommen sie aus dem Winterquartier und beginnen an den Knospen ihren Reifungsfraß. Kommt es zur Eiablage, wird zunächst ein Loch in die Blütenknospe bis zum Staubgefäß gefressen. Anschließend wird das Ei darin abgelegt und mit dem Rüssel wieder verschlossen. Ein Käfer kann bis zu 50 Eier ablegen. Aus dem Ei entwickelt sich nach ca. 10 Tagen die Larve, die sich von den Staubgefäßen ernährt. Befallene Blüten erkennt man an braune, nicht geöffnete, ballonförmige Blütenblätter. Darunter befindet sich die Larve, die sich im Schutz der geschlossenen und vertrockneten Blüten weiter entwickelt und verpuppt. Mitte Juni schlüpfen die Käfer, die noch ca. drei Wochen an Triebspitzen aber auch an Früchten fressen, bevor sie dann ihre Winterverstecke aufsuchen.

Rotbrauner Fruchtstecher
Rhynchites aequatus

Der Rotbraune Fruchtstecher überwintert als Larve im Boden. Nachdem er sich dort verpuppt, schlüpft etwa Anfang April der ausgewachsene Käfer. Mit den ersten warmen Sonnenstrahlen beginnt er zunächst an den Knospen und Blättern zu fressen. Ab Blühbeginn werden in die junge Frucht zylindrische Löcher gebohrt, um sich davon zu ernähren. Ab Ende Mai beginnt er mit einer verstärkten Eiablage, wobei jedes Ei einzeln in ein vorher gebohrtes Loch im Fruchtgewebe abgelegt wird.
Von der Eiablage bis zum Larvenschlupf vergehen je nach Witterung 7-10 Tage. Die Larven ernähren sich noch ca. 14 Tage vom Fruchtfleisch bis sie sich zu Boden fallen lassen.

Purpurroter Fruchtstecher
Rhynchites bacchus

Im April erscheinen die Käfer und beginnen mit dem Reifungsfraß an Blättern und Blüten. Im Mai bohrt das Weibchen die Früchte mehrfach an und bedeckt das in das Borloch gelegte Ei mit dem vorher aufgenommenen Fruchtfleisch. Die lochartige Vertiefung reicht bis zum Fruchtstein. Nach ca. 10 Tagen schlüpft aus dem Ei die Larve, die sich durch den noch weichen Fruchtstein bohrt. Die Larve ernährt sich von der Samenanlage.
Zur Zeit der Ernte verläßt die ausgewachsene wulstige, fußlose Larve mit braunem Kopf die Kirsche, um sich im Boden im nächsten Jahr zu verpuppen. Erst im folgenden Herbst schlüpfen die fertigen Käfer, die dann im darauf folgenden Frühjahr wieder aktiv werden. Der Purpurrote Fruchtstecher besitzt also einen zweijährigen Entwicklungszyklus.

Kirschsteinstecher
Anthonomus rectirostris

Mit Beginn des Austriebes erscheinen die Käfer aus ihren Winterverstecken, um ihren Reifungsfraß an Knospen und später an jungen Früchten bis zur Eiablage durchzuführen.
Zunächst wird eine lochartige Vertiefung bis zum Fruchtstein angelegt. Das Ei wird darin abgelegt und mit dem vorher aufgenommenen Fruchtfleisch wieder verstopft. Die Fraßstelle vernarbt recht schnell, so daß die jungen Früchte etwas deformiert aussehen. Durch die Größenzunahme des Fruchtfleisches ist der Frucht äußerlich nichts mehr anzusehen.
Aus dem Ei entwickelt sich die Junglarve, die sich sofort nach dem Schlupf durch den noch weichen Stein bohrt und vom Steininhalt lebt.
Die Weiterentwicklung zur Puppe und zum Käfer vollzieht sich im Innern des Steins. Sobald die befallene Frucht reif ist, hat der Käfer seinen Umwandlungsprozeß beendet und verläßt die Kirsche. Er sucht an einer geschützten Stelle das Winterquartier auf.

Bedeutung

Der durch die Rüsselkäfer verursachte wirtschaftliche Schaden kann bei Massenauftreten – wie es in den letzten Jahren der Fall war – recht beträchtlich sein. So kann der Befall durch den Apfelblütenstecher bis zu 5% befallene Infloreszenzen als alternativer Ausdünnungseffekt angesehen werden. Er ist der erste Schaderreger zum Vegetationsbeginn. Da noch weitere Schädlinge während der Fruchtentwicklung bis zur Reife auftreten können, sollte genauestens geprüft werden, ob Bekämpfungsmaßnahmen notwendig sind.
Baut sich dieser Käfer jedoch weiter auf, entstehen enorme Ertragsausfälle. Jede befallene Blüte kann sich nicht zur Frucht weiter entwickeln. Da der Apfelblütenstecher vorwiegend die Königsblüte befällt, aus der sich die größte und qualitätsmäßig beste Frucht entwickelt, sollte weiterhin eine sortenabhängige Behandlung mit in Betracht gezogen werden.
Der durch den Rotbraunen Fruchtstecher verursachte Schaden ist weitaus größer. Von Mai bis Juli werden zylindrische Löcher ins Fruchtfleisch gebohrt, die von 1 bis zu 50 Bohrlöcher pro Frucht betragen können. Während des Wachstums entstehen vernarbte und mißgebildete Früchte, die nur noch als Industrieobst zu vermarkten sind.
Die Rüsselkäfer im Steinobst verursachen mit dem Reifungsfraß ein stärkeres Röteln. Alle befallenen Kirschen sind zur Erntezeit sehr fruchtfäuleanfällig, da zu dieser Zeit durch die nach außen dringenden Larven oder Käfer die Fruchtschale verletzt wird und pilzliche Erreger eindringen können. Zusätzlich feuchte Witterungsverhältnisse verursachen vor allem bei Sauerkirschen das Platzen der Frucht. Desweiteren befinden sich während der Erntearbeiten die fußlosen Larven im Pflückgefäß. Diese Situation ist ähnlich zu werten wie der Befall durch die Kirschfruchtfliege.

Bekämpfungsmöglichkeiten

In der Integrierten Obstproduktion stehen zur Bekämpfung der Rüsselkäfer keine wirksamen zugelassenen Mittel zur Verfügung. Mit dem Wegfall von Rubitox breiteten sich die Rüsselkäferarten immer stärker aus.
Im vergangenen Jahr kam das Insektizid Calypso auf den Markt. Das Mittel hat sowohl im Kernobst als auch im Steinobst eine Zulassung gegen saugende Insekten. Umfangreiche Versuche zur Bekämpfung von Rüsselkäfer zeigten auch sehr gute Wirkungen.
Um den Integrierten Obstanbau durch das verstärkte Auftreten der Rüsselkäfer nicht zu gefährden, nutzt man bei Calypso die zwangsläufig eintretende Nebenwirkung gegen beißende Insekten.

Der Bekämpfungserfolg des Apfelblütenstechers hängt nicht von der Phänologie, sondern vom Zeitpunkt des Auftretens des Schaderregers ab. Bereits beim Erscheinen der ersten Käfer ist eine Applikation notwendig. Die Bekämpfung des Apfelblütenstechers muß vor der Eiablage erfolgen, da das Ei durch die versteckte Ablage nicht mit Calypso in Berührung kommt und sich weiter entwickeln kann (Abb.1).
Gleiche Vorgehensweise ist bei der Bekämpfung des Rotbraunen Fruchtstechers. Da dieser Rüsselkäfer um die Blüte am stärksten in Erscheinung tritt, sollte in oder spätestens kurz nach der Blüte – vor der Eiablage – mit Calypso behandelt werden (Tab.1).
Eine Bekämpfung des Kirschsteinstechers und des Purpurroten Fruchtstechers ist zum Zeitpunkt BBCH 71-72 – vor der Eiablage – durchzuführen (Tab.2).


Tab.1: Bekämpfung des Rotbraunen Fruchtstechers durch Calypso

Versuchsglied
Applikationszeitpunkt
Termin
Befallsbonituren an je 300 Früchten
27.05.02 27.06.02
% %
1
unbehandelte Kontrolle
73 94
2
Rote Knospe
08.04.
17 10
3
Ballon
22.04.
5 5
4
Vollblüte
07.05.
1 5
5
Nachblüte
16.05.
3 4
6
Vollblüte
07.05.
0 0
Nachblüte
16.05.
0 0


Tab.2: Bekämpfung des Kirschsteinstechers in Sauerkirschen

Versuchsglied
Applikationszeitpunkt
Termin
Befallsbonituren Anz. Käfer an 25 Ästen
vor Behandlungnach Behandlung
1
unbehandelte Kontrolle
2815
2
Abfall des Kelches
22.05.
260